Rezension: Affenzirkus.

A F F E N Z I R K U S

J. Moldenhauer

Emma und Flo haben sich seit Jahren nicht gesehen. Früher waren sie beste Freunde, heute gehören sie zu verfeindeten Cliquen und führen ein Leben umgeben von Drogenkonsum, illegalen Aktionen und Geheimnissen. Als sie sich plötzlich durch Zufall gegenüberstehen, empfinden sie nur noch Wut und Abneigung füreinander. Doch ehe sie sich versehen, müssen sie ein gemeinsames Schulprojekt auf die Beine stellen. Ein Projekt, das Erinnerungen weckt. Ein Projekt, das Fragen zu ihrer gemeinsamen Vergangenheit aufwirft. Ein Projekt, das dafür sorgt, dass sie sich mit ihren Leben auseinandersetzen müssen. Ein Projekt, das ihre Herzen mit voller Wucht trifft...


Die Geschichte von der Regentänzerin und dem kleinen Jungen.

Dank Amazon ist mir "Affenzirkus" nicht unentdeckt geblieben - zum Glück. Wirklich und ganz echt. Ich bin dankbar. Unendlich. Denn ich hab ein weiteres Buch für mein Bücherregal gefunden, was mir auf ein Leben erhalten bleibt.

Das Cover gefiel mir ganz gut. Okay, sagen wir, es war in Ordnung. Es ist ein Mittelding zwischen gut und schlecht. Weder Titel noch Cover lässt im Grunde wirklich erahnen, was in dieser Geschichte steckt. Selbst nach mehrmaligem Hinsehen, entdecke ich auf dem Cover immer mal wieder neue Details. Ich bin zufrieden. Und den Titel finde ich absolut originell, zumal er am Ende sehr viel mit der Geschichte zu tun hat.

Die Geschichte, ja. Vollgepackt trifft es wohl ganz gut. Nicht im negativen Sinne. Als ich so die ersten 25% hinter mir hatte, dachte ich nur "Was?? Erst ein Viertel weg, dabei ist schon so viel passiert!" - aber das ist eine gute Sache, denn ich war an keiner Stelle gelangweilt oder hätte mir gewünscht, dass die Geschichte endlich zu Ende geht. Im Gegenteil.

Wir treffen auf zwei Hauptprotagonisten: Emma und Flo. Beide gehören zu unterschiedlichen Banden, wobei ich im Nachhinein sagen muss, dass sie nicht wirklich dazu gehören. Sie leben beide in den jeweiligen WGs dieser Gangs, bei ihren Brüdern. Beide Banden können sich auf den Tod nicht leiden - quasi ein kleines Capulet-Montague-Dejavu (keine Sorge, es gibt keine Romeo und Julia-Wiederholung). Beide Protagonisten wollen dazu gehören und setzen sich mit illegalen Situationen auseinander. Dies führt dazu, dass Emma und Flo kurzerhand aufeinandertreffen. Wieder. Denn beide kennen sich schon seit Kindertagen, als sie noch in derselben Wohnsiedlung lebten, bis ein Moment in ihrer Vergangenheit sie zu Feinden machte. Das Wiedertreffen der Beiden ist der Ausgangspunkt der Geschichte. Von da an erlebt der Leser die Geschichte von Emma und Flo und taucht in ihre Welt des Erwachsenwerdens.


Die Kapitel werden jeweils aus der Sicht von Emma und Flo erzählt, was ich persönlich unheimlich gut fand. Die jeweilige Kapitellänge war auch relativ ausgeglichen, wenn man mal bedenkt, dass die weibliche Protagonistin meistens längere Kapitel erhält, als der Männliche. Sehr schön fand ich auch die Kapitelüberschriften, denn zu Beginn stand jedes Mal ein Satz aus dem folgenden Kapitel, der ganz gut zusammenfasste, um was es gehen wird. Man könnte meinen, dass einem so ein Teil vorweggenommen wird, aber das war nicht der Fall. Mir hat es sehr zugesagt.

Die Charaktere haben mich voll überzeugt. Ich mochte jeden einzelnen von ihnen. Emma, die willensstarke, dickköpfige, aber auch mutige junge Frau, immer nach ihren Zielen strebend. Flo, der etwas chaotische, sture und herzensgute junge Mann, auf der Suche nach etwas, was er selbst nicht in Worte fassen konnte. Beide in ihrer Entwicklung zu beobachten, war für mich ein Genuss. Denn wie jeder junge Erwachsene durchlebten die Beiden einen Prozess der Identitätsfindung, zwischen illegalen Vorbildern und dem eigenen Ideal. Die Autorin hat es meiner Meinung nach geschafft, diesen Prozess mit all seinen Problemen und Erlebnissen authentisch zu verpacken. Ich habe an keiner Stelle Zweifel aufkommen lassen oder mich mit Augenrollen auf die nächste Seite befördert.

Besonders die Liebesgeschichte zwischen Beiden hat mir sehr gut gefallen. Sie stolperten nicht einfach Hals über Kopf in das Verliebt-sein hinein, im Gegenteil. Zu Beginn des Buches hassten sie sich, zeigten ihre Wut und ihre gegenseitige Abneigung in abschätzigen Kommentaren und Handlungen. Ich habe es ihnen geglaubt. Doch durch das schrittweise Aufdecken der vergangenen Jahre, brechen auch alte Gefühle und gemeinsame Erinnerungen hindurch, was die Abneigung ins Wanken bringt. Es tritt ein viel stärkeres Gefühl ins Gewicht: Vertrauen. Kann man jemandem vertrauen, den man die letzten Jahre gehasst hat? Vertrauen ist die Grundlage von jeder Beziehung.

Zentraler Begriff innerhalb des Buches bildet hierbei Freundschaft. Denn Emma und Flo waren mal beste Freunde, die sich aus den Augen verloren haben. Kann man einfach vergessen, was war und die Freundschaft, die einst Beide verband, wieder aufleben lassen? Als Leser erhält man einen schönen Einblick in die wahren Werte und Verbindlichkeiten, die eine solche Verbindung mit sich bringt. Auch wenn ich manchmal etwas genervt davon war, dass die Autorin so oft "mein bester Freund" als Ausdruck verwendete, wobei ich dies letztendlich als stilistisches Mittel eingeordnet habe.

Die Geschichte bietet jedoch weitaus mehr, als ein Liebesgeplänkel zwischen zwei verfeindeten Linien. Beide Protagonisten müssen in der Schule gemeinsam an einem Sozialprojekt arbeiten und das empfand ich als absolutes Herzstück. Dieses Projekt taucht immer wieder auf und bildet den roten Faden der Geschichte. Dadurch lernt man als Leser weitaus mehr kennen, als die Oberflächlichkeit einer Geschichte. Man schaut über den Buchrand hinaus und entwickelt Herzklopfen für die essentiellen Problemen, denen sich die heutige Gesellschaft stellen sollte. Herzklopfen in diesem Fall für das tolle Sozialprojekt, natürlich nicht für die Probleme. Ich habe oft mit Tränen in den Augen dagesessen, vor Freude - aber vor allem war ich gerührt. Durch das Sozialprojekt lernt der Leser auch weitere wundervolle Charaktere kennen. Zum Beispiel Heinz und Henriette - was habe ich gelacht bei den Beiden. Oder Anke, die mir einfach nur leid tat. Felix, für den ich mir so vieles gewünscht hätte. Und so viele mehr... Das Buch war voll von tollen Charakteren, egal wie klein die Rollen waren. Auch die kleinen Nebengeschichten haben mich völlig überzeugt.

Der Schreibstil hat mir auch richtig gut gefallen. Es war flüssig zu lesen, teilweise so humorvoll geschrieben (besonders die Auseinandersetzungen zwischen Emma und Flo), aber teilweise auch so emotional. Ich würde gern so vieles hier noch schreiben, aber möchte vom Inhalt nichts weiter vorwegnehmen. Denn es ist in meinen Augen nicht unbedingt eine vorhersehbare Geschichte und jeder sollte sich selbst eine Meinung zum Inhalt machen. Ich persönlich liebe dieses Buch. Es ist ein Gesamtpaket, dass mich voll und ganz überzeugt hat. Ich werde es definitiv noch einmal und mehr lesen.

Mein Buch des Monats!


WERTUNG
5 von 5 Punkte


 
Affenzirkus | J. Moldenhauer | 15.03.2016 | Verlag BookRix | 2,99 €


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