Rezension: Was auch immer geschieht.

 

  W A S  A U C H  I M M E R  G E S C H I E H T

Bianca Iosivoni

Sieben Jahre ist es her, seit Callie und Keith sich zuletzt gegenüberstanden. Damals, kurz nach Callies dreizehntem Geburtstag, war ihr Vater bei einem Autounfall ums Leben gekommen - einem Unfall, an dem Keith die Schuld trug. Callie konnte ihrem Stiefbruder nie verzeihen. Noch heute leidet sie unter den Erinnerungen an das schreckliche Ereignis. Doch als sie für den Highschoolabschluss ihrer kleinen Schwester in das Haus ihrer Stiefmutter zurückkehrt, begegnet sie Keith zum ersten Mal nach all den Jahren wieder. Sofort flammen ihre Wut und ihr Hass auf ihn wieder auf. Aber auch die gefährlichen Gefühle, die Keith schon damals in ihr ausgelöst hat...

 
Ich weiß ja immer noch nicht so richtig, wie ich diese derzeitig weitverbreiteten Stiefbruder-Geschichten finden soll. Also so ganz allgemein. Ich habe das Gefühl, dass derzeitig das Feuer der verbotenen Früchte innerhalb der Lesewelt entfacht wurde. Egal wo man hinsieht - es werden Geschichten über vermeintliche Geschwister, Stiefmütter und Co veröffentlicht. Brauchen wir das zur Zeit? Ich weiß es nicht. Letztendlich bin ich ja auch so eine Leserin. 

Und doch verstehe ich die Tragik nicht gänzlich, wenn es um eine Liebesbeziehung zwischen Stiefgeschwistern geht, die nicht dem gleichen Blut entstanden sind! In der Inhaltsangabe dieses Buches hier wird der erste Satz mit "Sie darf ihn nicht lieben. Denn er ist ihr Stiefbruder." betitelt und ich frage mich unweigerlich warum, nachdem ich das Buch gelesen habe. Sie sind nicht blutsverwandt, aber es klingt, als würden sie dennoch eine Todsünde begehen. Jesus!

Das Buch erzählt von Callie, Medizin-Studentin und auf der Rückreise in ihre alte Heimat über den Sommer für 3 Monate. Anlass für den Ausflug zu ihren Wurzeln gibt ihr dabei ihre kleine Schwester, die ihren Schulabschluss in der Tasche hat und nach einem gemeinsamen Sommer mit ihrer ganzen Familie auf eine Weltreise gehen will. Ihre Familie umfasst neben Callie, ihre Stiefmutter Stella und auch ihren Stiefbruder Keith. Nicht ahnend, dass ihr größter Albtraum von Stiefbruder ebenso in die Heimat zurückkehren wird, begibt sich Callie also auf den Heimflug und taucht in ihre ganz eigene dramatische Vergangenheit ein. Denn vor 7 Jahren starb ihr Vater bei einem Autounfall, den Keith verursacht hat, wofür sie ihn auf ewig verachten und hassen wird. Es sind ebenso 7 Jahre, in denen sie keinen Kontakt mehr zu Keith hatte - bis er plötzlich vor ihr steht. Und mit ihm kommen all die Emotionen wieder hoch gekoppelt an vergangene Erinnerungen, denen sie sich nun stellen muss.

Am Anfang dachte ich ja noch, dass die Geschichte schnell erzählt ist - weil ganz ehrlich, sie war schon etwas vorhersehbar. Ich erkannte die ganzen Zusammenhänge des tragischen Unfalls von vor 7 Jahren relativ zeitig. Und doch war die Geschichte vollgepackt. Vollgepackt mit Emotionen zum Zerreissen. Und das empfand ich manchmal sogar zermürbend. Kennt ihr das, wenn eine Geschichte so voller Berg- und Talfahrten steckt, dass euch der Kopf schwirrt? So ging es mir bei diesem Buch.

Der Schreibstil ist flüssig und wirklich leicht zu lesen. Die Autorin hat es definitiv drauf, mittels ihres Schreibstils starke Emotionen und Bauchkribbeln hervorzurufen. Manchmal hab ich mit angespanntem Körper auf der Couch gelegen, weil es kaum auszuhalten war.

Im Vordergrund steht natürlich die Beziehung zwischen Callie und Keith, denn sie ist intensiv und voller problematischer Spannungen. Der Hass, den Callie ihm entgegenschleudert ist greifbar. Es ist keine schnell erzählte Liebesstory nach dem Motto "Ach ich find dich geil, ich vergess einfach, was passiert ist und schmeiß mich dir an den Hals.", sondern eine sich langsam entwickelnde Beziehung, die im Grunde ja auch schon immer vorhanden war. Callie liebte Keith schon seit sie ein Teenager war... oder sagen wir, sie schwärmte für ihn. Sie kannten sich in- und auswendig, waren unzertrennlich - eben bis zu der einen schicksalshaften Nacht. Und so erleben wir hier eine Geschichte zwischen dem Neuentdecken und Wiederfinden von alten und neuen Gefühlen füreinander. Man erlebte mit Callie zusammen die widersprüchlichsten Gefühle, beginnend von Verachtung, über Wut und Zorn, bishin zu Verzweiflung, weil sie sich ihm, trotz ihres Hasses auf ihn, nicht entziehen kann. Und ich mochte es, wie Keith mit der Situation umging, ihr ständig die Wahl ließ und sie zu nichts drängte, was sie nicht wollte. Sie sollte es selbst erkennen, sollte auf eigene Weise den Weg des Verzeihens finden.

Die 7 Jahre sind nicht spurlos an Beiden vorbei gezogen. Callie hat sich nie mit dem Tod ihres Vaters auseinandergesetzt und hat ihr Leben um ihn herum aufgebaut, dabei aber ihre eigenen Träume missachtet, nur um ihrem Vater nahe sein zu können. Keith hat sich auf ganz eigene Weise mit dieser Situation auseinandergesetzt, er scheint in seiner Verarbeitung bereits weiter vorangekommen zu sein, als Callie. Es gefiel mir, wie Keith sie dadurch auch stets herausforderte. Er blickte hinter ihre Fassade und brachte jedes Mal den Mut auf, ihr die Wahrheit ins Gesicht zu schleudern. Das hat ihm viele Sympathiepunkte von mir eingebracht.

Und doch sorgt diese Geschichte trotz der ernsten Hintergründe immer wieder für Lacher. Keith lässt keine Situation aus, Callie zu provozieren, sei es nun verbal oder non-verbal. Es folgen hitzige Diskussionen, die sarkastisch ausarten. Es gibt witzige Momente (ich sag nur Badezimmer), die mich zum Schmunzeln gebracht haben. Es war ein einziges Katz- und Mausspiel und manchmal war nicht ganz klar, wer hier eigentlich wen jagt. Die Momente zwischen Beiden waren immer sehr geladen und intensiv, richtig kribbelig. Hach.

Ich mochte das Buch sehr, auch wenn es mir manchmal etwas zu viel wurde. Callies Selbstzerwürfnisse haben etwas an meinen Nerven gekratzt und das führte ab und an zu Kopfschmerzen. Daher gibt es einen Punkt Abzug. Aber ich bereue absolut nicht, es gelesen zu haben!


WERTUNG
4 von 5 Punkten

 
Was auch immer geschieht | Bianca Iosivoni | 01.07.2016 | Kindle


2 Kommentare:

  1. Ich will das Buch so gerne lesen, aber ich warte noch auf das Print...wie soll ich das nur überleben? xD Eigentlich ist das Thema ja gar nichts so Meins mit diesem "Stiefgeschwister-Zeugs", aber Bianca kann so gut schreiben! Bisher mochte ich alles von ihr, da MUSS ich das doch lesen, vor allem wo deine Rezension so toll klingt :)

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    1. Im Grunde ist das ja auch gar nicht soooo sehr "Stiefgeschwister-Gedöhns" - und absolut einfach nur zum dahinschmelzen! Nachdem ich nun die vorherigen Bücher von Miss Bianca gelesen habe, kann ich bestätigen, dass dieses Buch hier imo das wohl intensivste von ihr ist.

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